Zur Geschichte des Heidelberger Bergfriedhofs
- Die Suche nach einem Gelände für einen kommunalen Friedhof
- Die Einweihungsfeierlichkeiten
- Die erste Beerdigung auf dem Friedhof an der Steige
- Leichenordnung für die Stadt Heidelberg von 1852
- Die "Urzelle" des Friedhofs
- Die “Urzelle” wird erweitert
- Die Friedhofserweiterungen nach 1887
- Geschichte(n) zu den Zahlen und Buchstaben
- Die Friedhofaufseher von 1844-1944
- Eine Statistik steht noch aus
- Literatur / Quellen
Die Suche nach einem Gelände für einen kommunalen Friedhof
Wir schreiben das Jahr 1836, die innerstädtischen Friedhöfe der Stadt Heidelberg sind seit Jahrzehnten gut belegt, der Friedhof um die Peterskirche sogar überbelegt, so dass hier die Grabstätten i. d. Regel nach gut 10 Jahren neu vergeben werden. Wie schon in anderen deutschen Städten soll nun auch hiesigen Ortes das, während der französischen Besatzungszeit von Napoleon I. 1804 erlassene “décret impérial sur les sepultures”, greifen. Dieses sieht unter anderem vor, dass die Friedhöfe, besonders aus hygienischen Gründen, außerhalb der Städte angelegt und kommunal, also nicht mehr konfessionell, betrieben werden. Die alten Heidelberger Begräbnisstätten sollen geschlossen werden.
Während der nächsten Jahre werden Vorschläge für einen neuen Friedhof unterbreitet, Pläne ausgearbeitet, das ganze begutachtet und dann aus den verschiedensten Gründen alles wieder verworfen. Bis sich die Gemeinderatsmitglieder und städtischen Behörden 1839 für das Gelände eines ehemaligen Weinberges, südlich außerhalb der Stadt gelegen, entscheiden. Die Friedhofskapelle wird nach Plänen des Stadtbaumeisters Jakob Julius Greiff errichtet, die Gestaltung der Friedhofsanlage wird in die Hände von Garteninspektor (ab 1843 Gartendirektor) Johann Metzger gelegt. Metzger meistert die Herausforderung, einen Friedhof in Hanglage zu gestalten, indem er Natur und Kultur in Einklang bringt, beiden eine Existenzberechtigung einräumt und so die topografischen Verhältnisse optimal nutzt. Er hat damit die Urzelle für einen der außergewöhnlichsten Friedhöfe geschaffen. Anfangs ist der Gottesacker der “Friedhof an der Steige” im Gewann Eisengrein, heute kennen wir ihn als Heidelberger Bergfriedhof.
Die Einweihungsfeierlichkeiten
- Aus dieser Perspektive versperrt mittlerweile Gehölz die Sicht auf die Kapelle mit schönem freien Raum.
Am 18. September 1844 wird der Friedhof eingeweiht. Die Schrift “Zur Erinnerung an die Einweihung des neuen Friedhofes in Heidelberg am 18. September 1844” (J. S. Wolff und Comp., HD 1844), den Einwohnern der Stadt gewidmet, gibt uns einen Einblick in den Ablauf der Feierlichkeiten. Die städtische “Leichen-Commission” hat in Abstimmung mit den Würdenträgern der beiden großen Konfessionen den 18. September 1844 als Tag der Friedhofseinweihung festgelegt.
“Auf dem St.-Annafriedhof versammelten sich zu dem Ende die Schüler der oberen Classen der Volksschule mit ihren Lehrern, die Geistlichkeit beider Confessionen in ihrer Amtstracht, ein Beamter des Großherzoglichen Oberamts, der erste Bürgermeister und Gemeinderath der Stadt, so wie der ev. prot. Kirchen-Gemeinderath und katholische Stiftungsvorstand und begaben sich in feierlichem Zuge unter dem Geläute der Glocken auf dem neuen Friedhofswege hinter dem landwirtschaftlichen Garten her auf den Friedhof bis zu dem schönen freien Raume vor der Kapelle."
Hier haben sich schon die Sänger des Liederkranzes versammelt, um die Feierlichkeiten mit Kirchenliedern zu begleiten. Der katholische Dekan Nüßle beginnt als erster mit der “Einweihungsliturgie”, die Einweihung nach “protestantischem Ritus” vollzieht anschließend Dekan Dr. Dreuttel. Am Ende der Einweihungsfeierlichkeiten richten Dekan Nüßle und Dekan Dr. Dreuttel abschließende Worte an die Versammlung worauf der Schlussgesang folgt und sich der Zug dann “… wieder in derselben Ordnung in die Stadt begab.”
Die Reden der beiden Geistlichen sind in der Schrift von 1844 zur Einweihung des neuen Friedhofs nachzulesen.
Die erste Beerdigung auf dem Friedhof an der Steige
Will man etwas über die erste Beerdigung auf dem neuen Friedhof an der Steige erfahren, so muss man unterscheiden, ob der Zeitraum vor oder nach der Weihe des Friedhofs gemeint ist, denn die erste Beerdigung findet schon am 21. Mai 1844 in aller Stille statt. Zwei Tage zuvor ist der Sohn des Friedhofaufsehers Kaspar Job und seiner Ehefrau Anna Maria gleich nach seiner Geburt gestorben. Der kleine Kaspar – er wurde nach seinem Vater benannt – wird auf dem noch nicht geweihten Friedhof in der Nähe des Weges zur Friedhofskapelle begraben. Auf dem Grabstein ist zu lesen “Er war der erste auf dem Friedhof”. Die Grabanlage ist bis heute als Familiengrabstätte in Nutzung.
- Grabstätte der Familien Job und Haller - oberhalb der historischen Grabanlage verläuft der Weg zur Friedhofskapelle
Am 19. September 1844 findet dann die erste “offizielle” Beerdigung auf dem einen Tag zuvor gesegneten Friedhof statt, die Grabstätte ist uns leider nicht erhalten geblieben. Der 13 Jahre alte Schüler Paul Rasp, durch einen Fall tödlich verunglückt, wird zu Grabe getragen. Die Rede hält der Stadtpfarrer Prof. Dittenberger mit den einleitenden Worten:
“Wohl haben wir am gestrigen Tag diesem schönen, herrlichen Hügel, darauf auch wir und die Unseren einst ruhen werden, nach der Ordnung der Kirche durch Gesang, Rede und Gebet die übliche Weihe gegeben, dass er hinfort ein Gottesacker sei für die Bewohner unserer threuen Vaterstadt. Aber eine Weihe fehlt ihm noch, und die bedeutsamste, ernsteste, – das ist die Weihe der Schmerzen und der Thränen, die ihm nicht nur jetzt, sondern fort und fort zu theil werden wird von den tausendmal Tausenden, die hierher kommen werden, um in Thränen zu säen, damit sie einst in Freuden ernten können.”
Die vollständige Rede kann in der Schrift von 1844 zur Einweihung des neuen Friedhofs nachgelesen werden.
Leichenordnung für die Stadt Heidelberg von 1852
Neben der “Leichenordnung” beinhaltet die Schrift die “Friedhofsordnung”, “Instructionen für das Leichenpersonal” und die “Taxordnung”.
Die Leichenordnung
In der Schrift von 1844 zur Einweihung des neuen Friedhofs lesen wir, dass die “Leichenordnung”, von der “städtischen Leichen-Commission” entworfen und “ … von dem Gemeinderath, den Pfarrämtern, dem katholischen Stiftungsvorstand und dem protestantischen Kirchengemeinderath begutachtet …”, gegenwärtig dem großherzoglichen Oberamt zur Genehmigung vorliegt. Weiter heißt es: “Der Zweck dieser Anordnung ist nicht nur eine würdige Behandlung der Todten und Sicherung der Angehörigen gegen jede Art von Überforderung und Zudringlichkeit einzelner Personen in den so schmerzlichen Augenblicken eines Verlustes, sondern auch eine möglichst einfache und von jedem unnützen und darum unvernünftigen Prunke entfernte Art der Leichenbegräbnisse den Einwohnern der Stadt zu verbürgen.”
Keine Erwähnung findet in dieser Schrift, dass der Entwurf der Leichenordnung durch zähe Verhandlungen der genannten “Parteien” die Einweihung des Friedhofs beträchtlich verzögert hat.
Die Leichenordnung beinhaltet unter anderem die Regelungen bezüglich des “Geschäftskreises” und die Zusammensetzung der “Leichencommissionsmitglieder”, die Befugnisse des eingesetzten Personals, Ablauf des Begräbnisses von der Leichenbeschau über die Bereitstellung eines Sarges, der Trauerfeier, den Erwerb einer Grabstelle bis zur Beerdigung des Verstorbenen.
Die Friedhofsordnung
Die Friedhofsordnung von 1852 beginnt mit der Einleitung: “Für die Leichenbegängnisse und Beerdigungen auf dem neu angelegten Friedhof treten nach eingeholter Genehmigung der Großherzoglichen Kreisregierung vom 16. Juli 1847, Nr. 18833, folgende Bestimmungen in Kraft: … “. Einige der Bestimmungen haben wir hier zusammengefasst:
Die Oberaufsicht des Friedhofs hat die städtische Leichencommission, ihr untersteht der Friedhofsaufseher dem das von der Commission eingesetzte Personal Folge zu leisten hat.
Die Leichenfelder für Erwachsene und die für Kinder sind in Reihen anzulegen und müssen fortlaufend belegt werden. Die Gräber können auf Verlangen der Angehörigen vom Friedhofsaufseher nach der geltenden Gebührenordnung mit Blumen und Sträuchern bepflanzt, und wenn gewünscht, durch ihn gepflegt werden. Nicht erlaubt sind Trauerweiden oder andere Gehölze.
“Verzierungen der Gräber durch Tafeln, Säulen, kleine Obelisken und Kreuze von Holz sind erlaubt. Dagegen sind Einfassungen derselben durch Geländer von Latten verboten. Monumente von Metall und Stein können an die nicht angekauften Gräber nur mit Erlaubnis der Leichencommission unter Entrichtung der dafür bestimmten Taxe festgesetzt werden. Ebenso müssen Pläne und Inschriften der Grabmäler der Leichenkommission zur Genehmigung vorgelegt werden.”
“Zu bleibenden Grabstätten sind die Felder Litera A, B, C, D, E, F, nach den Plänen des Friedhofaufsehers, einschließlich der Rasenwände und Gesträuchgruppen des Friedhofs, und zur Anlegung von Gruften die beiden Seiten der Kapelle bestimmt.”
Bei Erwerb von “Plätzen für Familienbegräbnissen” wird durch eine Urkunde die “Unveränderlichkeit des Grabes” zugesichert.
Instructionen für das Leichenpersonal
Hier werden die Aufgaben, das Verhalten und ggf. die Kleiderordnung zum Beispiel des “Friedhofaufsehers” der “Leichenträger”, der “Leichenkutscher” und der “Totengräber” detailliert aufgeführt und bezüglich der Bezahlung striktes Einhalten der “Taxordnung” angemahnt.
Die Taxordnung
In der Schrift von 1844 zur Einweihung des neuen Friedhofs heißt es dazu: “Es wurden zu dem Ende 5 Classen, nach deren Bestimmungen die Beerdigungen stattfinden können, angenommen und in den beiden ersten die Preise etwas erhöht, um in den letzten drei für die unbemittelteren Bewohner die Kosten möglichst nieder stellen zu können; dennoch sind in allen Classen die Taxen so mäßig berechnet, dass die Beerdigungskosten in jeder derselben bedeutend weniger betragen, als in jeder anderen Stadt des Landes.”
Dies bezieht sich auf “A. Taxordnung für gewöhnliche Fälle”, gemeint sind die Kosten für die Beerdigung und – je nach Bedarf und Geldbeutel – für die Trauerfeierlichkeiten. Weitere Kosten sind in “B. Taxordnung für besondere Fälle” aufgeführt, dazu zählen zum Beispiel die Mehrkosten für “ … eine Verdoppelung der Leichenwagenpferde, welche nur in der ersten und zweiten Classe stattfinden kann …” oder Kirchengeläut. Die Rubrik “C. Friedhoftaxe” führt schließlich die Kosten zum Beispiel für den Erwerb von “eigenthümlichen Grabstätten” auf, das Anlegen von Fundamenten und Aufstellen von Grabmalen. Auch die an den Friedhofaufseher zu zahlenden Gebühren für gewünschte Bepflanzung und Pflege einer Grabstätte sind hier aufgeführt. Ebenso die Kosten für eine Umbettung.
Der abschließende Text der Leichenordnung lautet:
“In Folge Ermächtigung der Großh. Regierung des Unter-Rhein-Kreises vom 16ten Juli 1847, Nr. 18,833, wird vorstehender Leichen- und Friedhofsordnung, sowie den hierauf bezüglichen Taxbestimmungen und Instruktionen andurch die staatspolizeiliche Genehmigung erteilt.
Heidelberg, den 30ten Oktober 1852.”
Wir sind bemüht, zeitnah die Leichenordnung von 1852 online zu stellen.
Die "Urzelle" des Friedhofs
Die Urzelle des “Friedhofs an der Steige” mit ihren Erwachsenen- und Kindergräberfeldern (hier werden Verstorbene in Reihen bestattet, die Grabzeichen sind vergänglich) sowie Familiengrabstätten am Rand der Gräberfelder und damit an den Wegen gelegen (das sind Grabstätten mit gekauftem Nutzungsrecht und beständigen Grabmalen), umfasst etwa den Bereich folgender heutiger Litera (das sind die einzelnen Abteilungen des Friedhofsgeländes). In Klammern steht die Jahreszahl der ersten Bestattung:
Litera C (1844), Litera E mit Teil der sich anschließenden Litera R (1849), Litera Q (1853) und der verbliebene Teil von Litera R (1858). Litera T war damals ein Kindergräberfeld, Aufzeichnungen über die Bestattungen liegen uns nicht vor, Ende des 19. Jahrhunderts beginnt man in Litera T mit dem Anlegen von Familiengrabstätten im gesamten Bereich.
Ausschließlich Familiengrabstätten befinden sich in Litera A (1844), Teilbereich Litera Z (1846, Wegesrand zur Kapelle), Litera B (1848), Teilbereich von Litera D (1845, Bereich damaliger unterer Eingang, dieser ist heute geschlossen, und Wegesrand gegenüber Litera R), Litera F (1851) und Litera G (1857).
Die “Urzelle” wird erweitert
Das Friedhofsgelände wird ab 1860 kontinuierlich erweitert und es kommen zu den beiden Eingängen zwei weitere hinzu (heute unteres Tor Steigerweg und Bereich Anna-Platz). Auch erhält der Aufseher ein Wohnhaus auf dem Friedhof (heute alte Friedhofsverwaltung).
An Gräberfeldern sowie Familiengrabstätten am Rand der Gräberfelder und damit an den Wegen gelegen kommen an Bereichen hinzu (heutige Literabezeichnung, in Klammern erste Bestattung):
Litera H (1861), Litera H neu (1864), Litera J (1868) und Litera N (1874). Die Bereiche von Litera D neu und Litera O dienten damals als Kindergräberfelder, Aufzeichnungen über die Bestattungen liegen uns nicht vor. Die ersten Familiengrabstätten wurden im Bereich Litera D neu 1862 und im Bereich Litera O 1878 vergeben sowie im Teilbereich (entlang der damaligen Friedhofsgrenze) von Litera L 1872.
Der Bereich hinter dem Kriegerdenkmal war ebenfalls ein Kindergräberfeld, der restliche Bereich von Litera K dient Familiengrabstätten, ebenfalls der sich anschließende schmale Teilbereich von Litera J (1870). Weiterhin ausschließlich für Familiengrabstätten wurde der Bereich Litera D genutzt (hinzu kam 1861 der Bereich ab Beginn des heutigen “Professorenweg” und der sich anschließende nordwestliche Bereich).
Die Gräberfelder in den Bereichen Litera C (1877), Litera E (1879) und Litera R (1881) werden erneut für Bestattungen genutzt.
“Verfasst und gezeichnet im Jahre 1886 von Friedhofaufseher” kann man auf einem Plan lesen, der die Situation aus dieser Zeit und die Lage von damals als wichtig eingeschätzte Grabstätten auf dem Bergfriedhof anschaulich aufzeigt. Wir gehen davon aus, dass sich die Grabfeldnummerierung (römische Ziffern) auf die in den alten Gräberbüchern eingetragenen Nummern beziehen, die arabischen Ziffern 1-4 bezeichnen die Kindergrabfelder.
Der Plan trägt keine “Signatur”, nach dem Zeitungsartikel von 1944 (s. u.) ist der Verfasser und Zeichner Jakob Miltner, er löste 1886 den Aufseher Zobel ab.
Die Friedhofserweiterungen nach 1887
Ab 1887 kommen an Gräberfeldern mit Familiengrabstätten am Rand der Gräberfelder und damit an den Wegen gelegen in folgenden Bereichen hinzu: Teilbereich (gegenüber Litera M) von Litera L (1887), Litera V (1893), Litera U (1898), Litera U neu (1925), Litera M (1938, entlang der Mauer zur Rohrbacher Straße) und Litera S (1926 Teilbereich an der Grenze zu Litera M / 1934 entlang der Mauer zur Rohrbacher Straße). Über die Bestattungen in den Gräberfeldern liegen uns bisher keine Aufzeichnungen vor, die Jahreszahlen in Klammern beziehen sich deshalb auf die Anlage von Familiengrabstätten am Rande der Gräberfelder.
Von Anfang an nur für die Anlage von Familiengrabstätten vorgesehen sind die Bereiche: Teilbereich Litera V (1893), Litera Z (1894), Litera V neu (1906), Litera X (1902) und Litera Y (1906 / Mausoleum Radali-Wilding wird 1900 fertiggestellt und genutzt). Das Gelände von Litera O neu wird ebenfalls erworben und dient vorerst als Friedhofsgärtnerei, ab 1944 als Bestattungsfläche.
Ab 1927 wird Gelände des Stadtwaldes für Familiengrabstätten erschlossen. Der Bereich Litera Waldabteilung A wird ab 1928 genutzt, der Bereich Litera Waldabteilung B ab 1932.
Der Bereich Litera P und der sich anschließende Randbereich P neu werden ab 1945 für Bestattungen genutzt, der weitere Bereich Litera P neu ab 1954. Die heutige Wiese in Litera S dient ab 1948 als Gräberfeld. 1949 wird zuletzt das Gelände in Litera W als Fläche für Familiengrabstätten angekauft.
Geschichte(n) zu den Zahlen und Buchstaben
- Ehemaliges Wohnhaus, später um ein Stockwerk und einen Anbau erweitert. Heute altes Verwaltungsgebäude.
Bis Anfang der 1860er Jahre wird die “Urzelle” des Friedhofs an der Steige intensiv genutzt, dann ist dringend mehr Gelände notwendig. Doch zuerst bekommt der Aufseher ein Haus auf dem Friedhofsgelände wo er mit seiner Familie wohnen kann (heute die alte Friedhofsverwaltung).
Dann werden in den nächsten 30 Jahren Bereiche unterhalb der Urzelle bis zur Höhe des späteren “Anna-Platzes” genutzt, Bahnlinie und Steigerweg sowie der heutige Weg zum Krematorium (damals war das die Kleine Eisengreingasse) und das oberhalb anschließende Gelände mit dem Kriegerdenkmal bilden die seitlichen Begrenzungen.
- Anna-Platz auf dem Bergfriedhof. Im Hintergrund ist der ehemalige Eingang von 1860 zu sehen, dahinter befindet sich später zugekauftes Gelände (Litera S, reicht bis an die Rohrbacher Straße).
Der Friedhof bekommt nun auch zwei weitere Eingänge, einen unterhalb der beiden Tore im Steigerweg und einen großzügig angelegten Eingang am Westrand des Geländes am Beginn der Großen Eisengreingasse (später Anna-Platz). Die Große Eisengreingasse führt übrigens als Weg an Litera J und dem Rosenbrunnen vorbei zu Litera K und weiter den Hang hinauf zu Litera X (siehe Plan bei Derwein 1940). Die Gestaltung der angekauften Grundstücke als Friedhofsgelände übernimmt Stadtbaumeister Philipp Reichardt.
1876 wird der Jüdische Friedhof als eigenständiger Friedhof von der Kultusgemeinde angelegt, eröffnet und bis heute geführt. Er liegt noch außerhalb des Bergfriedhofsgeländes, doch dies sollte sich bald ändern.
Die Erweiterungen von Ende der 1880er Jahre bis 1927
- Familiengrabstätten auf dem Gelände zwischen Kriegerdenkmal und Krematorium (Grabmal v. l. von 1893)
1891 wird das Krematorium im Bereich des neu angekauften Geländes zwischen dem Kriegerdenkmal und dem Jüdischen Friedhof errichtet. Ein Gräberfeld war hier angelegt worden, das nun überbaut wird. Hinter dem Krematorium bleibt ein Streifen. Dieser wird zusammen mit dem Krematorium ab 1893 halbkreisförmig von Reihen mit Familiengräbern eingefasst.
Und auch der Bereich hinter der Friedhofskapelle und dem Gelände zwischen der Kapelle und dem Steigerweg wird nun für Familiengrabstätten genutzt.
Wenig später wird damit begonnen, oberhalb des Krematoriums zwischen dem Gelände des Jüdischen Friedhofs und dem Gelände hinter der Friedhofskapelle den Hang hinauf bis zum Stadtwald auf den Berghangterrassen kontinuierlich Familiengrabstätten anzulegen.
Die Grundstücke für die Friedhofserweiterung werden 1889 angekauft. Initiator ist der Vorsitzende der Friedhofskommission, Stadtrat Karl Leimbach (Foto / Nachruf). Nach seinen Plänen und unter seiner Leitung wird das gartenbauliche Konzep bei der Gestaltung des Geländes als Friedhof in bestem Sinne fortgeführt.
Über den Besitzer der Hof-Apotheke, übrigens war er auch bei der Umsetzung des “Leichenhallenzwangs” und der Einführung der Feuerbestattung in Heidelberg in erheblichem Maße beteiligt, wird bei Mushake (1929, S. 37) folgendes geschrieben: “Als K. Leimbach im Jahre 1900 starb, sagte Oberbürgermeister Wilckens in einem Nachruf, daß in Zukunft vom Heidelberger Friedhof- und Bestattungswesen nicht gesprochen werden könne, ohne den Namen Karl Leimbach zu nennen.” und weiter unten: “ … Sein Wissen in Bezug auf Pflanzenkunde kam ihm bei der gärtnerischen Ausgestaltung des neuen Friedhofsgeländes sehr zustatten.”
Rückblickend ist zu sagen, dass wir über die Beibehaltung des Grundsatzes von Johann Metzger, der Natur zu folgen, besonders dankbar sein sollten, denn die im höchsten Maße außergewöhnlichen Herausforderungen an die “Gestalter” des Friedhofs beginnen mit der Belegung des Hanggeländes oberhalb von Krematorium und Friedhofskapelle.
Der spätere Haupteingang
Eine große Veränderung stellt die erneute Verlegung des Haupteingangs zum Friedhof dar. Die Kleine Eisengreingasse wird als breite Zufahrt zum Krematorium ausgebaut und die Einfahrt wird später der neue Haupteingang des Friedhofs. Unterhalb des Bereichs des ehemaligen Eingangs sind, begrenzt durch die Rohrbacher Straße, neue Gräberfelder hinzugekommen. Den Abschluss bilden die neu hinzugekommenen Gräberfelder unterhalb des Jüdischen Friedhofs.
Bei Mushake (1929, S. 40) ist über den im Buch beschriebenen Beginn des Rundgangs über den Bergfriedhof zu lesen: “Wir betreten den Friedhof durch den Haupteingang, das untere der drei Tore am Steigerweg …”. Auf dem dazugehörigen Plan von 1929 mit eingezeichnetem Rundweg entspricht der Eingang mit breiter Zufahrt zum Krematorium bereits der heutigen Situation doch gilt zu diesem Zeitpunkt offenbar der Zugang im Steigerweg als Haupteingang zum Friedhof.
Der Anna-Platz auf dem Friedhofsgelände
- Anna-Platz - Die Grabmale stammen von alten Heidelberger Begräbnisstätten. In der Mitte der Anna-Gedenkstein.
Der alte, 1860 eingerichtete, Eingangsbereich liegt heute mitten auf dem Friedhofsgelände und wird als Anna-Platz bezeichnet. Namensgeberin ist die Stifterin des alten St. Annafriedhofs. Ein großformatiger Gedenkstein mit der Inschrift “Anna Stifterin dieses Kirchhofs 1590” ist zusammen mit Grabmälern in den 1870er Jahren, als das alte St-Anna-Friedhofsgelände überbaut wurde, auf den Bergfriedhof gebracht und an verschiedenen Plätzen aufgestellt worden. Auch Grabsteine der anderen aufgelassenen alten Heidelberger Begräbnisstätten werden auf den Bergfriedhof gebracht. Unter der Federführung des Stadtrates und Vorsitzenden der Friedhofskommission, Ernst Atzler werden der Anna-Gedenkstein und die Grabmale in den 1920er Jahren alle am Rand des großen Platzes in Gruppen aufgestellt und der Platz heißt seitdem Anna-Platz.
Die schöne Aussicht und der Tod von Friedrich Ebert
Um die gleiche Zeit findet ein altes, über 3 Meter hohes Kruzifix, das ehemals am “Mannheimer Tor” stand und 1865 auf den Bergfriedhof gelangte, seinen endgültigen Platz. Es wird auf einem schönen Aussichtspunkt mit breiter Freitreppe aufgestellt und soll, von Ruhebänken flankiert, die Friedhofsbesucher zum Verweilen einladen.
Doch gerade, als der Platz Gestalt annimmt wird beschlossen, diese besondere Stelle als Grabanlage zu nutzen. Reichspräsident Friedrich Ebert ist am 28. Februar 1925 in Berlin gestorben und findet an dieser Stelle seine letzte Ruhestätte. Es war sein Wunsch, in seiner Geburtsstadt auf dem damals noch “Friedhof an der Steige” wo auch seine Mutter bestattet ist, beerdigt zu werden.
Das Grabmal, ein Quader, entwirft der Künstler Peter Behrens (1868-1940), eingehauen ist der Spruch “Des Volkes Wohl ist meiner Arbeit Ziel”. Obwohl Ebert aus der Kirche ausgetreten ist, belässt man das Kruzifix hinter dem Grabmal. Das “Ensemble” wird nicht von allen Betrachtern als gelungen bezeichnet.
Der “Friedhof an der Steige” wird zum “Bergfriedhof”
Stadtrat Atzler macht auch den Vorschlag, einen Teil des Stadtwaldes als Friedhof zu nutzen. Der Vorschlag wird umgesetzt und am 30. Januar 1928 findet die erste Beerdigung in der Waldabteilung A statt, gefolgt von einer Beerdigung am 12. Februar 1928, der Chemiker Theodor Curtius wird zu Grabe getragen.
Nachdem die Waldabteilung B 1932 aufwendig für Bestattungen erschlossen ist, finden auch hier Beerdigungen statt. Eine der ersten Grabstätten wird im März von der Familie Kümmel angelegt und die Asche von Professor Werner Kümmel (1866-1930), Direktor der Heidelberger Universitäts-Ohrenklinik und seiner ersten Ehefrau Marie Kümmel (1873-1915) hier beigesetzt.
Mit Eröffnung der Waldabteilung erhält der Friedhof nun offiziell den Namen “Heidelberger Bergfriedhof”.
Hier einige Bestimmungen von 1928 zur Nutzung der Waldabteilung:
An Material für das Grabzeichen sind neben Findlingen Grabzeichen aus Granit, Sandstein, Kalkgesteinen und Kunststein sowie Schmiedeeisen und Holz zu bevorzugen. Weißer Marmor sowie überhaupt polierter Stein sind verboten. Auch das Reinigen der Grabmale und damit Entfernung der altersbedingten Patina ist untersagt. Die Einfassung der Grabanlagen ist nur mit kleinen Findlingen oder niedrigen Hecken gestattet, der Bewuchs auf der Grabfläche soll sich harmonisch und nach ästhetischen Gesichtspunkten in die das Grab umgebende Waldlandschaft einfügen.
Der Bergfriedhof wird zum letzten Mal erweitert
Im Heidelberger Fremdenblatt vom Dezember 1951 schreibt Aloys Wannemacher:
“Seit über 100 Jahren dient der Bergfriedhof nun schon vielen Geschlechtern der Stadt als letzte Ruhestätte. Er ist gegenüber der ursprünglichen Anlage mannigfach erweitert und zu einer richtigen Stadt der Toten geworden. Mit seinen 16 ha Land ist er der größte aller Heidelberger Friedhöfe. Und doch ist er nur noch bedingt aufnahmefähig. Lag er bei seiner Planung fernab von dem aufgeregten Treiben der Lebenden, so ist er heute schon einbezogen in ihren Wohnbereich. Bis zu seinen Pforten brandet der Lärm der Straße.”
Weiter heißt es: “Während der letzten Jahre erfuhr er eine Reihe wesentlicher baulicher Verbesserungen. So wurde im Jahre 1948 der Eingang von der Görrestraße her mit wuchtigen Mauern errichtet. Das Jahr 1949 brachte die daran anschließende südliche Erweiterung auf dem Berghang zwischen dem jüdischen Friedhof und der Görrestraße. Die terrassenförmigen Grabanlagen wahren hier völlig den Charakter der Landschaft. Eine schlichte auf dem Terrassengelände erbaute Urnenkapelle führt auf glückliche Weise die Architektonik des Mauerwerks für die Einfahrt fort.”
Und weiter ist bei Wannemacher zu lesen: “Mit der Verbreiterung der Rohrbacher Straße wurde zur Abschirmung des Straßenlärms eine etwa 200 m lange kräftige Mauer errichtet. Sehr sorgfältig ist der Eingang des Krematoriums durch ein Halbrund mit vorgelagerter Verkehrsinsel und entsprechenden Parkmöglichkeiten den Bedürfnissen des Kraftwagenverkehrs angepasst worden.”
Dem Text ist weiter zu entnehmen, dass neuredings der Eingang ein “der klaren Einfachheit des Mauerwerks entsprechendes eisernes Tor” erhalten hat.
Abschließende Worte
- Das ehemalige Gräberfeld in Litera S, im Hintergrund verläuft die Friedhofsmauer an der Rohrbacher Straße
Die nötigen Erweiterungen des Bergfriedhofs wegen starker Bevölkerungszunahme – die Schließung des Friedhofs aus akutem Platzmangel wurde öfters in Erwägung gezogen – erfordern immer wieder Ankauf von Gelände dem zum Teil intensive Verhandlungen vorausgehen. Und es kommt vor, dass dem Verkäufer auf dem von ihm an die Stadt veräußerten Gelände, “kostenlos” eine Familiengrabstätte “auf ewig” zugestanden wird. Einige dieser Grabstätten sind heute noch in Familienbesitz – ob die Abmachung in allen Punkten Bestand hat, entzieht sich unserer Kenntnis.
Mit der Zeit werden die “Grabfelder” nach und nach für Familiengrabstätten genutzt, dabei kommt es vor, dass Angehörige ihre in einem Grabfeld bestatteten Familienmitglieder in später angelegte Familiengrabstätten umbetten lassen. Heute gibt es im herkömmlichen Sinne keine “Grabfelder”. Einzig das Wiesengelände in Litera S erinnert noch an die Zeit, wo vergängliche Grabzeichen oder einfach ein angedeuteter Grabhügel die letzte Ruhestätte von Menschen zeigte, für deren Angehörigen in der Regel eine Familiengrabstätte unerschwinglich war. Auch das ist Friedhofskultur – sie ist uns nur nicht sichtbar erhalten geblieben. Heute ähneln “Reihengrabfelder” dieser Bestattungsform, auf dem Bergfriedhof wird sie nicht angeboten.
Und auch an dieser Stelle sei noch einmal betont: in weiten Bereichen des Bergfriedhofs wurde zu allen Zeiten und wird immer noch der Natur Raum gelassen, indem man die ursprüngliche Wegeführung und Vegetation in die “Bewirtschaftung” des Friedhofs übernimmt – trotz erheblichem Aufwand bei der Pflege des Geländes und dem Anlegen der Gräber. Danke an die Verantwortlichen und besonders an die vielen Menschen, die bis heute diese schwere Arbeit zum Beispiel als städtische Mitarbeiter und als Dienstleister der Steinmetz- und Gartenbaubetriebe geleistet haben!
Die Friedhofaufseher von 1844-1944
Über die ersten Friedhofaufseher ist in der Literatur wenig zu finden.
In der Zeitung “Volksgemeinschaft” vom 30. September / 1. Oktober 1944 ist in dem Artikel “ Die Weihe des Bergfriedhofes vor hundert Jahren. Die Gründung und Anlage – Die Friedhofsaufseher – Die erste Feuerbestattung “ folgendes zu lesen:
“Der erste Friedhofsaufseher, Kaspar Job, ein Gärtner, erhielt nach der Mitteilung eines alten Heidelbergers kein Gehalt, sondern nur die Wohnung in dem damals einstöckigen Haus, dazu die Nutznießung an Gras aus der weiten unbebauten Fläche für seine Kuh; gärtnerische Anlagen durften nur durch ihn besorgt werden, auch war er beim Aufstellen der Grabsteine behilflich.
Bis zum Jahre 1878, also 34 Jahre, betreute er die Gräber, dann löste ihn der Aufseher Zobel ab, bis 1886, in welchem Jahr Jakob Miltner das Amt übernahm und nach dessen Tode 1917 der langjährige Obergärtner Theodor Göz bis 1939. Als der neue Friedhofinspektor Jänicke unter die Waffen trat, war es Verwalter Götz, der den Friedhof nicht verwaist sehen konnte, er stellte sich wieder zur Verfügung und dient heute den Toten, wie früher.”
Eine Statistik steht noch aus
- Ansicht eines Wegabschnitts in Litera F. Die historischen Grabanlagen stammen aus den Jahren 1853 und 1854.
In der Schrift von 1844 zur Einweihung des Friedhofes ist zu lesen: “… hat bis jetzt schon durch seine ausgezeichnete Lage und schöne Einrichtung viele tausend einheimische und fremde Besucher angezogen.”
Dazu ist anzumerken, dass der Friedhof 1842 schon “bezugsfertig” ist, aber noch Klärungsbedarf bezüglich der Kostenverteilung und der Person des Aufsehers besteht. So nutzen viele Bürger die Möglichkeit, sich den neuen Friedhof an der Steige schon vor der Einweihung bei einem Spaziergang anzusehen.
Hochgerechnet haben bis zum heutigen Tag viele Millionen Besucher – und die jährliche Besucherzahl steigt – diesen außergewöhnlichen Friedhof “erlebt” und auch die Bestattungszahl geht mittlerweile auf die Million zu. Eine Statistik steht noch aus – wir bleiben dran!
Literatur / Quellen
Zur Erinnerung an die Einweihung des neuen Friedhofes in Heidelberg am 18. September 1844
Heidelberg 1844
Signatur Universitätsbibliothek Heidelberg: Mays (Brosch.) 17,22 RES
Leichenordnung für die Stadt Heidelberg
Heidelberg 1852
Signatur Universitätsbibliothek Heidelberg: Mays (Brosch.) 21,62 RES
Die Leichen- und Friedhof-Ordnung
in: Adressbuch der Stadt Heidelberg nebst den Stadtteilen Neuenheim und Schlierbach für das Jahr 1898
Heidelberg 1898
Online verfügbar: Universitätsbibliothek Heidelberg, Adressbuch 1898, S. 415-429
Herbert Derwein
Vom Heidelberger Begräbniswesen in früherer Zeit
in: Kurpfälzer Jahrbuch 1930, S. 54-68
Herbert Derwein
Die Flurnamen von Heidelberg
Straße/Plätze/Wald/Feld. Eine Stadtgeschichte.
Heidelberg 1940
Ernst Mushake (Schriftführer)
Die Friedhöfe in Heidelberg
Führer durch die christlichen und jüdischen Friedhöfe
Frankfurt/Main o. J. (1929)
Aloys Wannemacher
Der Heidelberger Bergfriedhof
in: Heidelberger Fremdenblatt Dezember 1951, Seite 4-10;
Heidelberg 1951
Signatur Universitätsbibliothek Heidelberg: A 2721 Folio::1951-52
Die Weihe des Bergfriedhofs vor 100 Jahren (Autor: "-d")
in: Volksgemeinschaft / Heidelberger Beobachter / Vereinigt auf Kriegsdauer mit den Heidelberger Neuesten Nachrichten, 14. Jahrgang / Nummer 264, Samstag 30. September / Sonntag 1. Oktober 1944
Signatur Universitätsbibliothek Heidelberg (Mikrofilm): 86 RA 22::38.1944,20.1.1944-31.12.1944
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