Georg Hess (1832-1909) - ein bewegtes Künstlerleben

Georg Hess erblickt am 28.09.1832 in Pfungstadt (Großherzogtum Hessen) das Licht der Welt. Der Vater Philipp Hess begleicht das Amt des Bürgermeisters, von sieben Geschwistern ist Georg der zweitjüngste.
1840 kommt Hess als Vollwaise in die Pflege eines Schwagers “… einem armen Schulmeister, der ziemlich viele Bücher besaß, die meine Phantasie anregten …”.* Hess beginnt 1846 eine Klempnerlehre in Darmstadt, besucht die sonntägliche Handwerkerschule und bekommt mehrere Prämien für seine Arbeiten und Zeichnungen. Die Bibliothek seines Schwagers hat zudem sein Interesse an der Dichtkunst geweckt und er beginnt lyrische Texte zu verfassen.

1850 wandert Hess als Klempnergeselle in die Vereinigten Staaten aus wo er zunächst Dächer mit Blech versieht und daneben Brillen- und Kautabakdosen anfertigt. Auch das Schreiben von Gedichten behält er bei. 1853 zieht es Hess nach New York, wo er sich als Holzbildhauer von Ernst Plaßmann (1822-1877), der gerade eine Zeichen- und Modellierschule gegründet hat (Plassmann's School of Art), ausbilden lässt. Anschließend arbeitet Hess als Ornamentschnitzer in einer Möbelfabrik und im Theaterverein “Humor” entwirft und fertigt er Bühnenbilder und verdingt sich als Laiendarsteller. 1853 findet auch die Weltausstellung in New York statt, Hess ist begeistert, besonders von den Werken des dänischen Bildhauers Bertel Thorvaldsen (1770-1844), und so beginnt in ihm der Gedanke zu reifen, sich ganz der Bildhauerkunst zuzuwenden. Als Ornamentschnitzer verdient er verhältnismäßig viel Geld, was ihm ermöglicht, 1857 nach Deutschland zurückzukehren, um ein vierjähriges Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München aufzunehmen.


Bergfriedhof am Wegesrand von Litera D neu, Pagenstecher
Das Kind ist ein Bildnis der Tochter von Georg Hess aus 2. Ehe, Elisabeth (Else)

1863 geht Hess mit seiner Familie, er hat inzwischen geheiratet und sein Sohn Heinrich wurde geboren, wieder nach Amerika und lässt sich als Bildhauer nieder. 1867 wird seine Tochter Auguste geboren (in St. Charles, Illinois). Hess wird als Künstler sehr geschätzt. Doch trotz wichtiger Aufträge – namhafte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens lassen sich von ihm porträtieren oder geben Arbeiten in Auftrag – hat es seine Familie zeitweise schwer, finanziell “über die Runden” zu kommen: “… Familienunglück und Armuth waren nun meine treuesten Begleiter und führten mich oft an den Rand der Verzweiflung”.*

Um 1880 kehrt Hess, getrennt von seiner Familie, nach Deutschland zurück und baut sich eine neue Existenz als freischaffender Künstler und Steinmetz in Heidelberg auf. Er eröffnet eine Bildhauerwerkstatt in der Schlosss-Straße bis er 1883 die Werkstatt abträgt und im Steigerweg 23 aufbaut. Autobiographisch ist zu lesen: “ … warf mich dann, allen Ehrgeiz entsagend, auf die Herstellung von Grabsteinen.”*


Gut bezahlte Aufträge bringen ihm Erfolg und Anerkennung. Allein das Honorar für das Grabmal von Franz Brünnow (berühmter Astronom) ermöglichte ihm, für sich und seiner Familie 1892 ein großes Haus hinter der Werkstatt zu bauen. Hess ist in 2. Ehe mit Katharina Fuchs verheiratet, sie haben 2 Töchter (Elisabeth, geb. 1880, später verh. Laubert und Meta, geb.1889, sie bleibt ledig) und einen Sohn (Karl geb. 1881). Hess kann sich durch künstlerische Aufträge etablieren und so stellten sich Anerkennung und Erfolg ein.

Zeit seines Lebens widmet sich Georg Hess neben der bildenden Kunst auch weiterhin der Dichtkunst. Die Hoffnung, seine poetischen Arbeiten einmal als Gesamtwerk herauszubringen, erfüllte sich nicht – der größte Teil gilt heute als verschollen. 1898 schreibt Georg Hess: “Ich suche vor meinem Tod nur noch einen Verleger für meine poetischen Arbeiten, die nur zerstreut theilweise in die Öffentlichkeit kamen”.*

Das in der Darmstädter Zeit (1846-1850) verfasste Gedicht “Kirchweihfreuden” ist hier nachzulesen.


Bergfriedhof Litera D 395 - Hess/Laubert
Marmorrelief nach einem Motiv von Arnold Böcklin

Georg Hess stirbt am 17. April 1909 und wird auf dem Heidelberger Bergfriedhof beigesetzt. Der Grabstein trägt im oberen Drittel ein Medaillonbildnis des Verstorbenen. Im Sockel ist ein Marmorrelief nach einem Motiv von Arnold Böcklin eingelassen (“Die Toteninsel”, dritte Version 1883; Juli 1905 findet in HD eine Ausstellung mit Werken von Böcklin statt). In das Grabmal, seitlich am Sockel, ist die Signaturen “Hess” eingehauen. Ob Georg Hess das Grabmal geschaffen hat oder sein Sohn Karl, ist nicht dokumentiert.

Karl Hess führt die Werkstatt als Bildhauermeister nach dem Tod seines Vaters alleine weiter bis er im 1. Weltkrieg eingezogen wird. Am 16. Juni 1915 stirbt Karl Hess in einem Feldlazarett in Roules (Frankreich) an seinen Verwundungen. Er hinterlässt seine Ehefrau Edith geb. Verjard und seinen Sohn Robert.


Bergfriedhof Litera D 395 - Hess/Laubert
Letzte Ruhestätte von Georg Hess und weiteren Familienangehörigen

Nach dem Tod von Karl Hess pachtet der Bildhauer Heinrich Boppel die Werkstatt bis 1935 der Enkel von Georg Hess, der Sohn von Elisabeth, Karl Laubert (1907-1975), die Werkstatt übernimmt. 1972 übernimmt der Sohn von Karl Laubert, Karl J. Laubert die Werkstatt.

Das Anwesen von Georg Hess ist bis heute in Familienbesitz. Die Bildhauerwerkstatt wird bis 2006 von seinem Urenkel Karl J. Laubert weitergeführt und dann aufgegeben. Heute steht an ihrer Stelle ein Wohnhaus.


*Das geistige Deutschland am Ende des XIX Jahrhunderts, Enzyklopädie des deutschen Geisteslebens in biographischen Skizzen, Leipzig u. Berlin 1898, 296f;

Angaben zur Familienchronik Hess/Laubert haben wir von der Familie Laubert erhalten, der Bildhauer Karl J. Laubert ist ein Urenkel von Georg Hess.


Arbeit von Georg Hess Arbeit von Karl Hess Signatur von Karl Hess

Die bedeutendsten Arbeiten von Georg Hess

Die poetische Begabung kommt in den Kunstwerken von Georg Hess zum Ausdruck. Seine Werke spiegeln das moderne subjektive Gefühl eines Lyrikers wider, weiche Formen bis hin zur Romantik herrschen vor. Durch überlebensgroße, gefühlvolle Idealbüsten und Figuren (u.a. “Wasserlilie”, “Echo”, “Lorelei”) findet er Eingang in die Fachliteratur.


Marmor:

Büste des schweizerischen Staatsrechtslehrers Johann Kaspar Bluntschli (1808 – 1881, auf dem Bergfriedhof bestattet), war in Besitz seines Sohnes, des schweizerischen Architekten Alfred Friedrich Bluntschli (gest. 1930 in Zürich)*; weitere Bildnisbüsten von Personen aus Künstlerkreisen und des gehobenen Bürgertums.

Weichlich-gefühlvolle Idealbüsten, Figuren und Statuen: Büste “Lieschens Liebling”; überlebensgroße Büste “Wasserlilie”; Figur “Echo”; Statue “Lorelei”; “Puck” aus dem “Sommernachtstraum” (wurde 1883 im Königlichen Glaspalast in München ausgestellt)

Reliefs, u.a. “Idealer weiblicher Kopf mit Efeukranz”; “Das unterbrochene Gebet”; “Der junge Courmacher” und Bildnisreliefs von Personen aus Künstlerkreisen und des gehobenen Bürgertums

“Puck” aus dem “Sommernachtstraum”, Preisaufgabe der Lotterie in Baden-Baden, Marmorausführung wurde 1883 im Königlichen Glaspalast in München ausgestellt; “ … noch in meinem Besitz, wohl meine beste Arbeit.”*


Bronze:

Sitzende Portraitstatue des Stifters James Suydam (vor dem theologischen Seminar der reformierten Kirche in New Brunswick, New Jersey) – James Suydam – New Brunswick Theological Seminary: Foto 1, Foto 2

“Puck” aus dem “Sommernachtstraum”, Preisaufgabe der Lotterie in Baden-Baden (Marmorausführung wurde 1883 im Königlichen Glaspalast in München ausgestellt)


Viele seiner Werke blieben Skizzen oder Modelle, da die Mittel zur Umsetzung fehlten, u.a.:

Modell gebliebene Statue (Idealfigur) des jugendlichen Goethe (Ausführung in Bronze für den New Yorker Central Park “unterblieb wegen der ungünstigen Zeitverhältnisse”*);

Modell zu einer Reiterstatue des Generals Thomas;

Skizze zu einer Gruppe für das Gebäude einer Lebensversicherungsgesellschaft, “Schutz der Witwen und Waisen” darstellend;

*Das geistige Deutschland am Ende des XIX Jahrhunderts, Enzyklopädie des deutschen Geisteslebens in biographischen Skizzen, Leipzig u. Berlin 1898, 296f;


Literatur/Quellen

Georg Hess
Die Löwenjagd zu Handschuhsheim
Scherzgedichte von Georg Hess

Heidelberg 1885 / Im Selbstverlag des Verfassers

Signatur Universitätsbibliothek Heidelberg: Mays (Brosch.) 21,37 RES

Carl von Lützow, Hrsg.
Georg Hess

in: Zeitschrift für bildende Kunst IX, 1874, 357ff.

Leipzig 1874

Signatur Universitätsbibliothek Heidelberg: C 4818 A::9.1874,+Kunstchronik,+Mittl

Ernst Mushake (Schriftführer)
Die Friedhöfe in Heidelberg
Führer durch die christlichen und jüdischen Friedhöfe

Frankfurt/Main o.J.(1929)

Signatur Universitätsbibliothek Heidelberg: KG IV h 159

Thieme/Becker Hrsg.
Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart

in: Bd. 16, S. 578

Leipzig 1999

Signatur Universitätsbibliothek Heidelberg: 99 C 2797::15/16

Das geistige Deutschland am Ende des XIX.Jahrhunderts
Enzyklopädie des deutschen Geisteslebens in biographischen Skizzen

in: Band 1, S. 296f.

Leipzig u. Berlin 1898

Gespräch mit Familie Laubert

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